Neben der Entwicklung einer echten Feedbackkultur in eurem Team kann es für euch sehr hilfreich sein, Peer-Feedback einzuholen. Dieses unterscheidet sich vor allem durch den denkbaren Teilnehmerkreis und ermöglicht dadurch noch ganz andere Sichtweisen, die euch in eurer Entwicklung weiterbringen.

Was ist Peer-Feedback?

Unter Peer-Feedback (auch Peer-to-Peer-Feedback) versteht man Feedback unter Gleichen. ‚Gleiche‘ ist in dem Sinne gemeint, dass sich die Ausgangslage und die Interessen der Peers ähneln. Eine Peer-Gruppe sucht den Austausch untereinander und verabredet sich zum gegenseitigen Feedback. Verabredetes Feedback hat den Vorteil, dass die Themen, zu denen eine Rückmeldung gewünscht wird, gesteuert werden können. Wer um Feedback bittet, führt bewusst die Feedback-Situation herbei. Die Chance, dass Feedback ihn:sie so weiterbringt, ist höher. Üblicherweise umfasst eine Peer-Gruppe 3-5 Mitglieder.

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Was ist besonders an Feedback unter Peers?

In einer idealen Feedbackkultur gibt es – bezogen auf das Thema Feedback – keine Hierarchien. Da ist es möglich, dass der:die Mitarbeiter:in dem:der Chef:in dasselbe Feedback geben könnte wie umgekehrt. In der Realität sieht es jedoch anders aus. Da spielt immer auch der Gedanke mit rein, was das Feedback für die eigene Karriereentwicklung bedeuten könnte. Oder aber, ob Ansehen und Status durch ein Feedback ins Wackeln geraten könnten. Sprich: es ist schwerer, Feedback auf unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen zu geben (Mitarbeiter:in zu Chef:in) bzw. anzunehmen (Chef:in von Mitarbeiter:in).

Feedback auf Augenhöhe.

Damit beide Seiten ohne diese Auswirkungen Feedback geben und annehmen können, muss gelten:

Das, was Eva Paul sagt, kann Paul auch Eva sagen.

Das Feedback erfolgt also auf Augenhöhe. Beide können im Hinblick auf die Gegebenheiten im gleichen Maße Feedback geben und annehmen.

Beim Peer-Feedback wird nun der hierarchische Aspekt durch die Auswahl der Peer-Gruppe ausgehebelt. Die Peer-Gruppe wird so gebildet, dass es kein hierarchisch begründetes Machtgefälle und keine Weisungsbefugnis zwischen den feedbackenden Parteien gibt.

Wie bildet ihr eine Peer-Gruppe? – 2 Möglichkeiten

Nachdem ihr geschaut habt, dass eure Peer-Gruppe innerhalb derselben Hierarchie-Stufe angesiedelt ist, gibt es noch weitere Faktoren, die ihr bedenken solltet. Denn wenn wir an die systemischen Prinzipien denken, sehen wir noch mehr Rangfolgen als die der Organisations-Hierarchie. So gibt es zum Beispiel die Rangfolge der zeitlichen Zugehörigkeit (z. B. wie lange jemand schon im Team ist), des persönlichen Einsatzes (z. B. Anzahl Stunden/Überstunden pro Woche) oder der Kompetenz (z. B. wer ist wie tief im Thema drin, wer bringt welche Expertise mit).

Nun gibt es für euch zwei Möglichkeiten:

    1. Ihr wollt eine möglichst homogene Peer-Gruppe

    Dann schaut ihr nach Mitgliedern, die im Wissen, Können, in der Dauer der Zugehörigkeit, etc. ähnlich zu euch gelagert sind. Beispielsweise könntet ihr eine Peer-Gruppe unter Scrum Mastern oder Product Ownern bilden. Diese ist dann nicht nur für Peer-Feedback geeignet (immer vorausgesetzt, Mitglieder eurer Peer-Gruppe haben die Möglichkeit, euch auch in Bezug auf das zu feedbackende Thema zu erleben). Ihr könnt die Runde auch hervorragend nutzen, um kollegiale Beratungen durchzuführen (d. h. ihr bringt einen Fall in die Runde mit, formuliert eine Schlüsselfrage und eure Peers beraten euch zur Fragestellung).

    Euer Vorteil einer homogenen Peer-Gruppe: Ihr habt sowohl das hierarchische als auch weitere systemische Rangfolge-Prinzipien bestmöglich ausgeschlossen. Es gilt hier nun wirklich: Das was der eine dem anderen sagt, kann der andere dem einen sagen.

    2. Ihr wollt mehr Diversität in eurer Peer-Gruppe

    Es reicht euch, dass die Gruppe ohne Machtgefälle und Weisungsbefugnis existiert. Zugehörigkeit, Fachexpertise oder Zeiteinsatz sind für euch zweitrangig. Behaltet trotzdem die folgenden systemischen Wirkungsweisen im Hinterkopf:

      • Zugehörigkeitsdauer: Jemand Neues wird sich tendenziell schwer tun, den:die Mitarbeiter:in der ersten Stunde zu feedbacken. Während das hingegen bei jemand anderem Neuen nicht der Fall ist. Dabei könnte der:die ‚Alt‘-Kolleg:in vielleicht gerade von den Beobachtungen des:der Neuen profitieren!
      • Persönlicher Einsatz: Jemand mit nur 20% der Arbeitszeit im Thema wird sich schwerer tun, jemanden zu feedbacken, der:die Vollzeit daran arbeitet. Selbst wenn vielleicht gerade wegen seiner:ihrer anderen Aufgabenbereiche mehr Abstand zum Sachverhalt besteht und so eine ganz neue Sichtweise möglich ist.
      • Kompetenz / Expertenstatus: Jemand ohne Expertenstatus wird jemanden mit hohem Expertenstatus tendenziell weniger feedbacken. Und doch gibt es so viele Felder, die es zu feedbacken lohnt, die gar nichts mit dem Feld der Expertise zu tun haben! Beispiel: Lara, eine Expertin in ihrem Fach, erstellt häufig unübersichtliche Produktanforderungen, schickt diese rum und danach noch mehrere Mails hinterher, die das Erstdokument ergänzen. Diese Beobachtung und den Wunsch nach mehr Struktur und Übersichtlichkeit kann ihr auch jemand rückmelden, der:die noch nicht auf ihrem Experten-Niveau agiert. Denn schließlich handelt es sich um die Form, nicht um den Inhalt. Und selbst bei Letzterem kann auch einem:einer Einsteiger:in schon mal ein Fehler auffallen!

    Tipp: Macht euch die Herausforderung (und die Chance!) der weiteren Rangfolgen bewusst. Dann könnt ihr ganz gezielt davon profitieren. Ihr könnt als ‚alter Hase‘ zum Beispiel explizit jemanden Neues um Feedback bitten. Gleichzeitig habt ihr den Vorteil, dass ihr mehr Kandidaten-Potenzial in eurem Umfeld für die Peer-Gruppe habt.

    Die Voraussetzung für Peer-Feedback

    Die Voraussetzung für Peer-Feedback ist natürlich, dass es ein Thema gibt, zu dem ihr euch auch feedbacken könnt! Wenn ihr nicht direkt zusammenarbeitet und auch keine gemeinsamen Meetings habt, könnt ihr euch beispielsweise nicht ohne weiteres gegenseitig zu eurem Verhalten in Meetings feedbacken. Eventuell bietet es sich jedoch an, gezielt Beobachtungsmöglichkeiten einzurichten.

    Beispiele, wie ihr Peer-Feedback ermöglichen könnt:

    Feedback zur Rolle im Team: Fragt euer Team, ob es ok ist, wenn euer Peer bestimmte Team-Situationen beobachten darf.

    Feedback zur Wirkung in Runden außerhalb des Teams: Falls eure Peers nicht eh schon bei den Runden anwesend sind – fragt den:die Meeting-Moderator:in, ob es ok ist, dass euer Peer zur Beobachtung dabei ist.

    Feedback zu Arbeitsergebnissen: Sollte es möglich sein, euer Arbeitsergebnis mit einem Peer für ein Feedback zu teilen (z. B. ein bestimmtes Dokument, das ihr erstellt habt), bietet sich auch so eine hervorragende Möglichkeit.

    Ablauf des Peer-Feedbacks

    Den folgenden Ablauf könnt ihr für euer Peer-Feedback übernehmen.

    Im Vorfeld:

    Feedbackverständnis
    Habt ihr in der Peer-Gruppe schon ein gemeinsames Verständnis von gutem und annehmbarem Feedback erarbeitet? Falls nicht, wäre es gut, das im Vorfeld zu tun! So dass alle Feedbackgeber:innen schon bei der Vorbereitung im Kopf haben, wie sie ihr Feedback am besten formulieren.

    Feedback-Art
    Entscheidet euch, ob ihr das Feedback

    • im Rahmen einer Feedbackrunde mit mehreren Peers einholen wollt,
    • in Form von Einzel-Feedback erhalten wollt, oder
    • schriftliches Feedback bevorzugt.

    Die Einladung
    Ladet eure Peers ein. Inkludiert dabei die Fragen, zu denen ihr euch Rückmeldung wünscht. Je präziser ihr dabei seid, umso präziser können auch die Rückmeldungen sein. Fasst den Fokus jedoch nicht zu eng, denn so manches Mal erweist sich der Blick links oder rechts davon auch noch als sehr aufschlussreich!

    Tipp: Achtet dabei auf genügend Vorlaufzeit, damit eure Peers sich auf das Feedback vorbereiten können.

    Beispiel für eine Einladung zur Feedbackrunde :

    Nadja hat als eher zurückhaltende Person in den letzten Wochen sehr an sich gearbeitet, um während der Meetings mit anderen Fachbereichen präsenter zu sein. In ihrer neuen Aufgabe als Marketing-Expertin muss sie zudem häufig ihre Ergebnisse präsentieren. Um einordnen zu können, wie sich ihre Präsenz in Meetings entwickelt hat, bittet sie ihre Peer-Gruppe um Feedback. Das könnte in einer E-Mail zum Beispiel so aussehen:

    „Liebe Peers,

    ich würde mich sehr freuen, wenn ihr am Montag, den 26.6.22, um 14:30 Uhr Zeit hättet, mir für eine Stunde im Rahmen einer Feedbackrunde Feedback zu geben. Moderieren wird die Runde unser Coach Max.

    Worum geht’s? Wie ihr wisst, gehörte ich bis vor kurzem in Besprechungen eher zu den stillen Beobachtern. Mit meiner neuen Rolle als Marketing-Expertin wollte und musste ich das ändern. Daher hätte ich in unserem Termin gerne zu folgenden Fragen von euch eine Rückmeldung:

    1. Wie erlebt ihr mich seit März 2022 in gemeinsamen Meetings?
    2. Was gelingt mir schon ganz gut?
    3. Was könnte ich eurer Meinung nach noch verbessern?

    Die Fragen beziehen sich sowohl auf meine generelle Beteiligung als auch auf meine Präsentationen.

    Bitte sagt mir bis übermorgen, den 14.6.22 zu, damit ich den Raum fest buchen kann. Ich freue mich auf die Runde mit euch!

    Vielen Dank und viele Grüße! Nadja“

    Das konkrete Feedback:

    Bevor ihr mit der Feedbackrunde oder dem Einzel-Feedback startet, wiederholt ihr noch einmal die Situation. Ruft dann noch mal euer Verständnis von gutem Feedback ins Gedächtnis (das kann auch mithilfe einer Visualisierung erfolgen). Dann legt ihr los.

    Tipp: Mithilfe einer Moderation könnt ihr euch ganz entspannt auf das Zuhören konzentrieren. Der:die Moderator:in schreibt mit und visualisiert, z. B. mithilfe von (virtuellen) Post-its.

    Der Abschluss:

    Schließt mit einer Kurz-Reflektion:

    • War es so ok?
    • Was könnt ihr beim nächsten Mal besser machen?

    Beleuchtet insbesondere auch, ob die Themenvorgabe und die Einordnung der zu feedbackenden Situation zielführend waren. Auch hier gibt es häufig Stellschrauben, um mit der Zeit immer besseres Feedback zu bekommen.

    Der Nachgang:

    Damit das Feedback nicht verpufft, notiert euch, was von dem Feedback für euch hilfreich war. Was konntet ihr lernen? Und welche Schritte und Maßnahmen folgen daraus?

    Tipp: Seid verbindlich zu euch selbst! Legt unbedingt für euch fest, welche Schritte und Maßnahmen aus dem Feedback folgen. Schließlich habt ihr ja darum gebeten, um euch weiterzuentwickeln.

    Was unterscheidet Peer-Feedback von Feedback im Team?

    Hier findet ihr noch einmal zusammengefasst, wie ihr Peer-Feedback von dem Feedback, das ihr euch im Team gebt, unterscheidet. Und wie ihr von beiden profitieren könnt, was aber auch die jeweiligen Nachteile sind.

    Peer-Feedback

    Teilnehmer: Peer-Gruppen-Mitglieder kommen (aus dem Team und) von außerhalb

    Feedback-Art: Verabredetes Gruppen- oder Einzelfeedback

    Potenzielle Wirkung: Lernen und Entwicklung der einzelnen Peer-Gruppenmitglieder

    Vorteile:

    • Feedback von außerhalb des eigenen Teams ermöglicht neue, andere Sichtweisen
    • Stärkt das Netzwerken innerhalb der Organisation
    • Es gibt weniger Gewöhnungseffekte an eure Marotten, die dazu führen könnten, dass diese nicht angesprochen werden
    • Weniger anfällig für den Einfluss von Stimmungsschwankungen, da ihr nicht direkt zusammenarbeitet

    Nachteile:

    • Es kann schwerer sein, genügend Beobachtungen für ein ausgewogenes Feedback mehrerer Peers zu erhalten.
    • Es ist etwas schwieriger, ein gemeinsames gutes Verständnis von Feedback zu erarbeiten, das auch gut angenommen werden kann (siehe dazu die Tipps zum Aufbau einer guten Feedbackkultur)

    Feedback im Team

    Teilnehmer: Alle Team-Mitglieder

    Feedback-Art: Gruppen- und Einzelfeedback, verabredet oder spontan nach Anlass

    Potenzielle Wirkung:

    • Lernen und Entwicklung der einzelnen Teammitglieder
    • Vertrauensausbau
    • Verbesserung der Team-Ergebnisse

    Vorteile:

    • Vertrauensbasis ermöglicht tiefergehendes Feedback
    • Dadurch, dass ihr euch im Team intensiv miterlebt, habt ihr eine Fundgrube an Feedbackmöglichkeiten
    • Ihr könnt sowohl Situationen feedbacken, die innerhalb des Teams auftreten, als auch Situationen, die in der Interaktion nach außen entstehen

    Nachteile:

    • Betriebsblindheit könnte dazu führen, dass eure Teammitglieder bestimmte Macken von euch schon gar nicht mehr auffallen.
    • Unstimmigkeiten im Team können direkt Einfluss haben auf euer Vertrauen und eure Feedback-Bereitschaft haben.
    Peer-Feedback Feedback in Teams
    Teilnehmer Peer-Gruppen-Mitglieder kommen (aus dem Team und) von außerhalb Alle Team-Mitglieder
    Feedback-Art Verabredetes Gruppen- oder Einzelfeedback Gruppen- und Einzelfeedback, verabredet oder spontan nach Anlass
    Potenzielle Wirkung Lernen und Entwicklung der einzelnen Peer-Gruppenmitglieder
    • Lernen und Entwicklung der einzelnen Teammitglieder
    • Vertrauensausbau
    • Verbesserung der Team-Ergebnisse
    Vorteile
    • Feedback von außerhalb des eigenen Teams ermöglicht neue, andere Sichtweisen.
    • Eure Arbeit mit euren Peers stärkt das Netzwerken innerhalb der Organisation.
    • Es gibt weniger Gewöhnungseffekte an eure Marotten, die dazu führen könnten, dass diese nicht angesprochen werden.
    • Weniger anfällig für den Einfluss von Stimmungsschwankungen, da ihr nicht direkt zusammenarbeitet.
    • Eure Vertrauensbasis ermöglicht euch ein tiefergehendes Feedback.
    • Dadurch, dass ihr euch im Team intensiv miterlebt, habt ihr eine Fundgrube an Feedbackmöglichkeiten.
    • Ihr könnt sowohl Situationen feedbacken, die innerhalb des Teams auftreten, als auch Situationen, die in der Interaktion nach außen entstehen.
    Nachteile
    • Es kann schwerer sein, genügend Beobachtungen für ein ausgewogenes Feedback mehrerer Peers zu erhalten.
    • Es ist etwas schwieriger, ein gemeinsames gutes Verständnis von Feedback zu erarbeiten, das auch gut angenommen werden kann (siehe dazu die Tipps zum Aufbau einer guten Feedbackkultur).
    • Betriebsblindheit könnte dazu führen, dass euren Teammitgliedern bestimmte Macken von euch schon gar nicht mehr auffallen.
    • Unstimmigkeiten im Team können direkten Einfluss auf euer Vertrauen und eure Feedback-Bereitschaft haben.

    Fazit: Nutzt Peer-Feedback für Sichtweisen außerhalb eures regulären Wirkungskreises

    Peer-Feedback kann das Feedback, das ihr aus eurem Team bekommt, hervorragend ergänzen. Euer blinder Fleck (aus dem Johari-Fenster) wird immer kleiner. Ihr könnt eure Stärken viel bewusster einsetzen und lernen, mit euren Schwächen besser umzugehen. Gleichzeitig besteht die Herausforderung, genügend ‚Material‘ und Beobachtungen für ein ausgewogenes Peer-Feedback zusammenzubekommen. Daher ist es immer als wertvolle Ergänzung, nie jedoch als Ersatz für Feedback im Team zu sehen.

    Wenn ihr das Thema Feedback für euch neu aufbauen wollt, nehmt gerne mit mir Kontakt auf!

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    Bei welchen Themen rund um das Thema Feedback in Teams kann ich euch unterstützen? Wo seht ihr bei euch noch Handlungsbedarf?